Tag 11

30. August 2024: Good morning Whitefishbay! Heute ist das erste Mal auf der Reise, dass ich am Morgen aufwache und beim Frühstück keine Schüler treffe oder mit ihnen Rede. Da ich jedoch weder auf dem Handy noch in meiner Mailbox eine Nachricht habe und ich gestern Abend noch zahlreiche Bilder geschickt bekommen habe, die glückliche Gesichter zeigen bin ich frohen Mutes, dass das Labour Day Weekend – das verlängerte Wochenende vor Schulbeginn – toll werden wird.

Das Wetter wird es auf jeden Fall, weshalb sich viele amerikanische Hosts dazu entschlossen haben in Freizeit- und Wasserparks zu fahren. Andere wiederum verlängern noch die Zeit in Chicago, um dort Sightseeing zu machen oder schauen ein Fußballspiel. Lionel Messi gastiert mit seiner Mannschaft in Chicago und dies ist wohl die letzte Möglichkeit für die Schüler diesen Spieler aktiv zu sehen. Die Liste kann sicherlich noch deutlich erweitert werden…

Frau Steflbauer und ich fahren heute morgen nach Madison. Die Hauptstadt von Wisconsin wurde 1836 gegründet und nach James Madison, dem vierten Präsidenten der USA, benannt. Die ersten weißen Siedler, Eben und Rosaline Peck, kamen ein Jahr später nach Madison. Die Gegend war aber bereits zuvor von Natives bewohnt worden. Zu dieser Zeit immigrierten auch viele Europäer in die USA, da sie der restriktiven Politik und den schlechten Lebensverhältnisse entkommen wollten. Seitdem hat sich die Stadt zu einem wichtigen politischen und intellektuellen Zentrum entwickelt, insbesondere durch die Universität. In den 1960er Jahren ist die Stadt wegen ihrer Anti-Vietnam Bewegung auch in Europa bekannt geworden.







Am heutigen Samstag ist in der Stadt die Hölle los: neben dem großen Bauernmarkt laufen die Vorbereitungen eines großen Straßenfests am Abend und als ob das nicht genug wäre gibt es überall kleine Stände, an denen lokale Farmer und Geschäfte ihre Waren anbieten: es gibt allerlei Gebäck, Stände nur mit Maiskolben, Muffins oder Chilisorten, die neben sehr scharf, ultra scharf und „death by chili“ alle Schärfegrade umfassen, die den Mund betäuben.

Da die Bewohner von Wisconsin auch Cheeseheads (Käseköpfe) genannt werden, weil der Staat für seine Käseproduktion bekannt ist, gibt es auch viele Käseverkaufsstände, die neben Cheddar in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen auch Cheese Curds (Käsebruch) anbieten. Überall liegen Zahnstocher bereit und Samples, so dass man sich quer durch die Geschmäcker testen kann. Wir kaufen neben frisch gebackenem Käsebrot, Muffins, Danish pastries, cheese curds auch maple syrup in Bioqualität. Was auffällt, ist dass vor allem junge Leute sich hier treffen und zusammenkommen. Eine ganz tolle Erfahrung. Vor dem Südaufgang zum Kapitol bietet sich uns ein surreales Bild. Hier haben mehrere Leute kleine Tische aufgebaut und treten für ihre Weltanschauung ein. Neben zwei Kreationisten, die die Passanten ansprechen, stehen drei junge Frauen, die mit Schildern für das Recht auf Abtreibung protestieren. Das Recht darauf wurde in den letzten Jahren in vielen amerikanischen Bundesstaaten eingeschränkt bzw. sogar ganz verboten. Direkt daneben ein weiterer Tisch, der für den freien Waffenbesitz wirbt und kostenlose Schießkurse anbietet. Wenige Meter daneben ein Lokalpolitiker der Liberals, der zur Wahl seiner Partei aufruft. So etwas habe ich in Deutschland definitiv noch nicht gesehen. Gerade die Kreationisten finde ich auffallend, da ich diese religiöse Weltanschauung schon seit Jahren in Englisch durchnehme, aber noch nie Kontakt zu ihnen hatte. Noch nie vom Kreationismus gehört? Kein Problem: darunter versteht man den Glauben, dass das Universum und das Leben auf der Erde durch einen göttlichen Schöpfer in ihrer jetzigen Form erschaffen wurden, oft basierend auf religiösen Texten wie der Bibel – die Evolution wird hingegen als Irrlehre abgelehnt. In den USA hat der Kreationismus eine lange Geschichte.



Einige US-Bundestaaten haben sogar Gesetze erlassen, die die Lehre der wissenschaftlich belegbaren Evolution einschränken und/oder die Lehre von Kreationismus fördern. Dies führt seit einem Jahrhundert zu Kontroversen und rechtlichen Auseinandersetzungen, wie dem berühmten Scopes-Prozess von 1925. Kreationistische Ansichten sind besonders unter konservativen religiösen Gruppen verbreitet und beeinflussen bis heute politische und bildungspolitische Entscheidungen. 

Gegen Mittag fahren wir in den botanischen Garten der Stadt und schlendern zwischen den liebevoll gestalteten Beeten und Gärten hin und her. Besonderes Highlight des Gartens ist ein Geschenk von Thailand, das im Zentrum des Parks steht: ein echter goldfarbener und reichlich verzierter Tempel! 





Da die Zeit wie im Flug vergeht und unsere Mägen sich trotz der zahlreichen Treats auf dem Bauernmarkt melden, fahren wir noch zu einem venezolanischen Restaurant, bei dem ich Arepas con Pernil (gefüllte Teigtaschen mit Pulled Pork & Schmelzkäse) bestelle. Dazu gibt es eine Jukkapommes, Koriandersauce und frisch gepressten Passionsfruchtsaft. 

Ein echtes kulinarisches Highlight! Am späten Nachmittag erreichen wir wieder Milwaukee und lassen den Abend ruhig ausklingen. Endlich Zeit auch einmal mein Buch weiterzulesen und die Dinge für die kommende Woche auszuarbeiten. Die Schüler schicken auch immer wieder Bilder in unsere Gruppe - sie genießen ihre Zeit, soviel ist sicher!

 

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