Tag 18

07. September 2024: Good morning Whitefishbay! Bevor ich gestern todmüde ins Bett gefallen bin habe ich noch meinen Handywecker ausgestellt und mich heute morgen von der Sonne wecken lassen. Ein herrlich sonniger Tag liegt vor uns, aber die vorhergesagten Temperaturen sollen auch heute weit hinter den bisherigen zurückbleiben.


Bei mehreren Tassen Kaffee, guten Gesprächen und mit Spelling Bee, einem süchtig machenden Buchstabenquiz der NYT, starten wir gemeinsam in den Tag. Am Samstag haben wir zunächst nur eine einzige Sache wirklich geplant, nämlich eine Autorenlesung von William Kent Krueger, die von dem Buchladen Boswell veranstaltet wird, wo wir bereits vor wenigen Tagen einige Bücher erstanden haben. Da ich bislang noch nie von dem Autor – Asche auf mein Haupt – gehört hatte, habe ich mich vorher etwas über ihn schlau gemacht:
Krueger ist ein amerikanischer Autor, der vor allem für seine Cork O’Connor-Reihe bekannt ist. Diese Buchreihe dreht sich um den ehemaligen Sheriff Corcoran “Cork” O’Connor, der in der fiktiven Stadt Aurora im Norden von Minnesota lebt. Die Bücher kombinieren Elemente von Kriminalromanen, Thrillern und Mystery mit einer tiefen Verwurzelung in der Kultur und Geschichte der Ojibwe-Indianer. Da ich in letzter Zeit dank eines Freundes bereits die Bücher von Craig Johnson gelesen habe, die sich ebenfalls um einen Sheriff und dessen indianischen Freund Henry dreht, war ich sofort interessiert mehr über seine Bücher zu erfahren. Wer noch nie von Craig Johnson gehört hat sollte unbedingt seine Bücher lesen oder sich auf Amazon Prime die Serie Longmire anschauen, die auf den Büchern des Autors basiert.





Krueger erzählt bei der Lesung, dass er durch seine mit 40 Jahren einsetzende Midlife Crisis zum Schreiben der erfolgreichen Buchserie gekommen ist. Das war Anfang der 90er Jahre. Es dauerte aber mehrere Jahre, bis er seine Gedanken in ein komplettes Buch verpackt und einen Verlag gefunden hatte, der das Buch herausbringen wollte. 1998 war es dann soweit: sein „Baby“ Iron Lake, wie er es nannte, erblickt das Licht der Buchwelt. In diesem ersten Band wird der Hauptcharakter Cork O’Connor, der bis heute zwanzig Bücher füllt, als ein Mann vorgestellt, der mit persönlichen und beruflichen Herausforderungen kämpft, sich auch immer wieder indigenen Problemen zuwendet und einer breiten, vor allem weißen Leserschaft, näher bringt. Der Autor erzählt wo er seine Ideen herbekommt, wie er sicher gehen kann in keine interkulturellen Fettnäpfchen zu treten und keine Verzerrungen in seine schichtartig aufgebauten Bücher zu bringen. Mit seinem heute vorgestellten Buch Spirit Crossing hat er einen Charakter geschaffen, der sich seit 1998 weiterentwickelt hat, der gealtert ist und neben den beruflichen auch viele private Herausforderungen zu lösen hat. All dies passiert in einer fiktiven Umgebung, die allerdings so genau und anschaulich beschrieben wird, dass sich der Leser sofort in das ländliche Minnesota versetzt sieht. Laut meinem amerikanischen Partner Herrn Wagner, der alle Bücher des Autors kennt, bieten die Geschichten auch sehr viele Einblicke in die Kultur der Ojibwe, was mich als Historiker begeistert. Natürlich kaufe ich mir sein neuestes Werk und lasse es nach etwas Small-Talk von ihm signieren. 

Als wir die Methodistenkirche in Downer Street verlassen scheint die Sonne noch immer und die Wolken haben sich verzogen. Frau Steflbauer und ich nutzen den schülerfreien Tag um drei Dinge zu machen: wir gehen auf einen alternativen Flohmarkt, besuchen das Kunstmuseum Calatrava in Milwaukee und gehen in der 3rd Ward spazieren. Zuerst werden wir zur Ecke Humboldt/Burleigh gefahren, wo wir in eine Seitenstraße einbiegen und schon von weitem den Flohmarkt sehen können. 








Es gibt allerlei Second Hand Kleidung, selbst gemachten Schmuck, Seife und T-Shirts, Food Trucks und an mehreren Stellen sorgen Straßenmusiker für eine tolle Stimmung. Das Viertel ist das komplette Gegenteil zu Whitefishbay, das merkt man sofort. Statt der kitschig geordneten Vorstadtidylle gibt es hier viele alternative Häuschen und Menschen, die in Straßencafes sitzen, mit dem Rad herumfahren und ihren alternativen Lebensstil ausleben. Ich fühle mich nach Berlin versetzt! Die Leute hier sind auch mega nett und wir bekommen sogar in dem Diner Wonderland einen Tisch, obwohl eigentlich eine Warteliste geführt wird. Das Interieur erinnert irgendwie an eine Mischung aus klassischem American Diner, einer alternativen Bar und einer Kunstausstellung. Wir saugen neben der tollen Stimmung auch die grandiosen Sandwiches ein, die m.M. nach die besten der Reise sind. Alles ist frisch gebacken und belegt und dazu zahlen wir deutlich weniger als üblich. Da es bereits Nachmittag ist freuen wir uns, als wir einen Colectivo erspähen, eine regionale Cafekette, die ihren Kaffee noch selbst röstet und in Madison, Chicago und Milwaukee Filialen besitzt. Der Kaffee schmeckt wie in Italien. Außerdem nutzen wir die Pause, um mit unseren Liebsten zu Hause zu telefonieren.

Als wir in Juneau aus dem Bus steigen laufen wir den Veteran’s Park herunter zum Milwaukee Art Museum (https://mam.org/). Dieses ist ein architektonisches Wahrzeichen der Stadt und ein bedeutendes kulturelles Zentrum in Wisconsin. Ein herausragendes Merkmal des Museums ist der Quadracci Pavilion, der vom spanischen Architekten Santiago Calatrava entworfen wurde. Dieses ikonische Gebäude, das 2001 eröffnet wurde, ist bekannt für seine beeindruckenden, flügelartigen Strukturen, die sich wie die Flügel eines Vogels zweimal am Tag öffnen und schließen. Ich persönlich finde, dass die Flügel eher wie ein gigantisches Segel aussehen und das Gebäude dazu von vorne aussieht wie ein großes weißes Schiff. Das Museum beherbergt eine umfangreiche Sammlung von Kunstwerken, die von der Antike bis zur Gegenwart reichen. Wir sind überrascht, dass im Museum auch zahlreiche deutsche Künstler vertreten sind: von August Macke bis Gabriele Münter. Es sind sogar ein Kandinsky und mehrere Miros ausgestellt. 






















Als wir das Museum verlassen steht die Sonne bereits so tief, dass das Licht auf dem Wasser des Sees glitzert und die umliegenden Gebäude in ein warmes gelbes Licht getaucht werden. Die Third Ward ist somit unser letztes Ziel des Tages bevor wir wieder in den Bus steigen und nach Whitefishbay fahren. 





Der Busfahrer der Linie 14 kennt uns bereits von unserer vorherigen Fahrt und grüßt uns 😊
. Am Abend werden wir dann wieder bei meinen Hosts kulinarisch verwöhnt mit einem BBQ: es gibt Maiskolben, Kartoffelsalat nach Familienrezept, frische Brötchen und ganz viele unterschiedliche Bratwürste, die es alle locker mit den deutschen aufnehmen können. Nachdem ich in Madison eher weniger von den preisgekrönten Bratwürsten begeistert war, sind die gegrillten Köstlichkeiten heute ein Hochgenuss. So kann ein Samstag zu Ende gehen: in gemütlicher Runde, in der der Gesprächsstoff nicht ausgeht.


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