Tag 13

02. September 2024: Good morning Whitefishbay! Auch wenn heute offiziell Feiertag in den USA ist, stelle ich meinen Wecker, denn eine Radausfahrt steht an: genau das Richtige bei dem wundervollen Wetter, um schön in den Tag zu starten. Also rein in die Sportklamotten, rauf aufs Fahrrad und los geht's. Rennrad fahren ist in den vergangenen gut zehn Jahren sehr beliebt geworden in den USA. Überall gibt es kleine Fahrradläden und die Biker organisieren Ausfahrten und Treffen mittels Internet. Zu unserem Coffee Ride kommen insgesamt zehn Leute. Treffpunkt ist das Stone Creek Café direkt in Whitefish Bay. Mir wird ganz anders als ich sehe mit welchen Rädern alle Leute anrollen: das sind alles keine Anfängerbikes, sondern kostspielige Carbonräder, die so ab 3000 Dollar anfangen. 


Ich habe als einzige Person ein Cross-Country Bike von 1992, dessen Kette und Bremsen ich gestern noch mit etwas Wartung bedacht habe. Doch meine anfänglichen Sorgen verfliegen recht schnell, das Tempo ist zwar durchaus hoch, aber die Aussicht links und rechts der Straße ist fantastisch. Wir fahren gut 1,5 Stunden direkt nach Downtown, durch das alte Hafenviertel, am Harley Davidson Museum vorbei und in eine der teuersten Gegenden der Stadt, wo sich eine Millionenvilla an die nächste reiht. Meist mit riesigen Grundstücken und direktem Strandzugang. Überall sporteln Menschen jeden Alters: Jogging, Rennrad fahren, Inline Skating etc. Die kleinen Cafes, die wir passieren, sind gut besucht und es scheint, als ob jeder die warmen Sonnenstrahlen aufsaugen möchte, um die Batterien für die anstehende Arbeitswoche und den kalten Winter in Wisconsin (wieder) aufzuladen. Die Zeit vergeht leider viel zu schnell und so schlagen wir vor dem Café auf.

Gegen Mittag fahren wir Lehrkräfte zu einem kleinen Kino in der Nähe der Universität von Milwaukee namens Downers, wo statt Mainstreamfilmen eine breite Auswahl eher unbekannten Streifen läuft. Unsere Wahl fällt auf Between two Temples – ob der wohl jemals auch in Deutschland laufen wird? Da wir hinterher noch etwas Zeit haben bevor wir zur Willkommensparty in einem großen Park in der Nähe des Sees fahren, besuchen wir noch einen Buchladen, Boswells. Ich liebe es durch Buchläden zu schlendern! Sie haben hier, anders als ich das in Deutschland gewohnt bin, auch Second Hand Bücher und gehören nicht zu einer großen Kette. Natürlich werde ich schnell fündig. Leider habe ich nicht unendlich Platz in meinem Gepäck und beschränke mich deshalb auf zwei Bücher: das von Michelle Alexander “The New Jim Crow” habe ich bereits seit längerem auf meiner Leseliste. Die Jim Crow Gesetze haben dazu geführt, dass in den USA Schwarze rechtlich benachteiligt werden und haben den Rassenhass lebendig gehalten. Die Autorin vertritt die These, dass das amerikanische Justizsystem eine neue Form der Rassentrennung geschaffen hat, die sie als “Masseninhaftierung” bezeichnet. Sie argumentiert, dass dieses System v.a. Afroamerikaner betrifft und sie so auch heutzutage in einer dauerhaft untergeordneten Klasse gefangen sind, ähnlich wie bei den Jim-Crow Gesetzen der Vergangenheit. Das zweite Buch ist von Dave Eggers und heißt “Zeitoun”, ein Sachbuch das die wahre Geschichte von Abdulrahman Zeitoun erzählt, einem syrisch-amerikanischen Unternehmer in New Orleans. Er beschließt während des Hurrikans Katrina in seiner Heimatstadt zu bleiben, um sein Haus und seine Firma zu schützen. Nach dem Sturm hilft er, indem er mit einem Kanu durch die überfluteten Straßen fährt, Tiere füttert und Nachbarn unterstützt. 
Bevor meine Neukäufe gelesen werden können muss ich aber zunächst noch meine mitgebrachten Bücher fertigt lesen: Klüpfl und Kobrs “In der ersten Reihe sieht man Meer” und den australischen Roman “The Hate Race”.
Da es langsam Zeit wird zur Welcome Party aufzubrechen und wir noch Herrn Wagner von zu Hause abholen müssen, fahren wir wieder nach Hause. Im Park warten bereits viele amerikanische Schüler mit ihren Eltern, die Unglaubliches auf die Beine gestellt haben. Ein riesiges American Picknick Dinner mit Sloppy Joes, Pulled Pork, Salaten, Hotdogs und und und. 
Immerhin wollen mehr als 160 Leute verköstigt werden. 








Als wir mit dem Rollstuhl von Herrn Wagner vorfahren bildet sich eine Traube an Menschen. Mit einer emotionalen Rede bedankt er sich bei den Eltern, den Kindern und allen anderen Involvierten für GAPP. Das ist auch gleichzeitig der Startschuss für das Picknick. Ich unterhalte mich mit vielen Schülern, die mir von ihren Wochenenden erzählen. Auch die Amerikaner und deren Eltern kommen zu uns und so werden aus den anfangs angepeilten 90 Minuten die wir bleiben wollen fast drei Stunden. Was für ein Empfang!

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