Tag 14

03. September 2024: Guten Morgen Whitefishbay. Heute ist der erste Schultag in den USA ... und der fängt bereits um 7.20 Uhr an mit dem sogenannten Red Carpet Event. Es ist seit einiger Zeit Usus an der Nicolet High-School, dass am ersten Schultag ein roter Teppich ausgerollt wird, an dessen Seiten sich die Lehrer aufstellen und die Schüler beklatschen, wenn sie in die Schule laufen. Im Hintergrund spielt eine Band live Musik und ein Fotograf schießt am laufenden Band Bilder. Sogar eine Fernsehkamera ist aufgebaut! Auch unsere Schüler genießen ihren großen morgendlichen Auftritt mit ihren Gastschülern. Ich bin mir sicher, dass dieses Erlebnis noch länger im Gedächtnis bleiben wird. 



Danach betreten wir das erste Mal das fertig renovierte Schulgebäude und laufen zum Klassenzimmer von Herrn Wagner, wo ich seine Sub (=Vertretungslehrkraft), Frau Proctor, kennenlerne. Sie stellt uns ihr Klassenzimmer als Homeroom zur Verfügung. Wir nutzen die Zeit um uns auszutauschen über die bisherige Zeit in den Gastfamilien, ihre Aktivitäten und auf was sie sich in den kommenden Tagen am meisten freuen. Danach brechen wir langsam auf zum Bayshore Einkaufszentrum, von wo aus unser Bus, die Green Line, direkt bis ins Zentrum fährt. Auch wenn wir sehr langsam unterwegs sind schaffen wir es gerade noch so zu unserem Bus, ohne eine einzige Minute auf den Bus warten zu müssen
🤭. An der Haltestelle Water and Juneau werden wir bereits von unserem Guide Phil und seiner Frau Barbara erwartet. Beides pensionierte Lehrkräfte mit denen wir uns auf den Weg durch die Stadt machen. Zuerst laufen wir zum Fiserv Forum, bei dem die Republikaner erst vor wenigen Tagen ihren Parteitag abgehalten haben. Das Forum ist eigentlich die Heimstätte des NBA Teams der Milwaukee Bucks, die vor wenigen Jahren die Meisterschaft mit ihrem griechischen Megastar Giannis Antetokounmpo feiern konnten. Direkt gegenüber liegt die Turnerhalle. Gebaut Mitte des 19. Jahrhunderts als eine große Anzahl deutscher Auswanderung, die von Turnvater Jahn begründete Bewegung mit die USA mitnahmen. Über dem Eingang ist noch immer der goldene Schriftzug Turnverein zu lesen. Weiter geht es durch eine kleine Gasse in die Old German Street, in der zu dieser Zeit das Schild "We speak English too" in den Schaufenstern hing. Auch sonst dominierte lange Zeit das Deutsche in Cream City, die die Stadt ihren Stempel aufdrückten. Milwaukee hat diesen Spitznamen seinen Backsteinen zu verdanken, die Cremefarben sind noch immer überall in der Stadt verteilt und können bei alten Gebäuden gesehen werden. Wir wandern durch den Marquette Park, in dem Helmut Kohl einen Pavillon eröffnet hat und eine Rede zur Wiedervereinigung gehalten hatte und biegen Richtung Rathaus ab, das in einem viktorianischen Stil erbaut wurde. Viele andere der Gebäude haben Deutsche Namen: Pabst, Pfitzer ... Jeder zweite Bewohner der Stadt hat deutsche Vorfahren, das sieht man v.a. an den Nachnamen vieler Stadtbewohner. Diese Wurzeln gingen jedoch vor allem im Zuge des Ersten Weltkriegs verloren, als die USA gegen das Kaiserreich auf den Schlachtfeldern in Frankreich und Belgien kämpften. Die deutschen Zeitungen, die zuvor noch die Oberhand hatten, gingen bankrott und stattdessen setzte sich das patriotische Englisch durch. Einige deutsche Traditionen halten sich aber bis heute: Usinger stellt die im ganzen Land bekannten Brats (=Bratwürste) her und und das Bier in Milwaukee ist mindestens genauso berühmt wie das alljährliche Bierfest. Obwohl wir eine wirklich interessante und nicht zu lange dauernde Führung bekommen gibt es nur wenige Ecken der Stadt, die die Schüler wirklich interessieren. 









Unsere Führung endet im neu renovierten und hippen Stadtviertel Third Ward, das für seine Mischung aus Geschichte und Moderne bekannt ist. Ursprünglich ein Industrie- und Wohngebiet mit gerade einmal 75 Einwohnern, hat sich die Third Ward zu einem Zentrum für Kunst, Gastronomie, Shopping und Unterhaltung entwickelt. Das Viertel beherbergt heute über 450 Unternehmen und ist Heimat von über 25.000 Bewohnern Milwaukees. Neben den vielen kleinen Geschäften und Cafes ist v.a. die Market Hall eine große Attraktion. Hier gibt es auf zwei Ebenen Essensstände – von süß bis herzhaft. Um 12.30 machen wir hier unsere Mittagspause und alle schwärmen aus, um sich etwas zum Essen zu besorgen. Wir Lehrkräfte entscheiden uns zunächst noch zu einem netten Plausch mit unseren Guides bei einem Kaffee, bevor wir in die Oyster Bar gehen, einem Fischrestaurant, in dem man neben diversen Starters auch frische Austern und Lobster bekommt. Zum Nachtisch gibt’s dann eine kleine Zuckerbombe, einen vegan Double Chocolate Cookie. Man kann nicht behaupten, dass wir es uns nicht gut gehen lassen. 




Frisch gestärkt fahren wir mit dem Bus zurück und steigen am Einkaufszentrum Bayshore wieder gemeinsam aus. Leider hören einige Schüler auch hier nicht auf unsere Anweisungen, was daran liegt, dass sie lieber auf ihre Bildschirme schauen und/oder Kopfhörer im Ohr haben statt den wenigen Sätzen zu lauschen. Dies führt dazu führt, dass einige nicht zum vereinbarten Endpunkt laufen, sondern zu den Einkaufsläden, obwohl die Gasteltern am zuvor kommunizierten Treffpunkt teils schon warteten. Eine halbe Stunde später sind alle Schüler abgeholt und so können Frau Steflbauer und ich auch eine Stunde Freizeit genießen, bevor wir nach Hause aufbrechen, wo ein leckeres Abendessen auf uns wartet. Während einige Schüler ins Kino fahren und sich gemeinsam
Deadpool 2 anschauen, fahren wir zur dritt in das Milwaukee REP, genauer gesagt in das Stiemke Studio, wo wir uns das Theaterstück The Coast Starlight anschauen. 


Ein kurzweiliges, modernes und zum Nachdenken anregendes Stück, das am Ende stehende Ovationen bekommt und wärmstens weiterempfohlen werden kann. Das Theaterstück spielt auf einer Zugfahrt von Los Angeles nach Seattle. Im Mittelpunkt steht ein junger Mann, der mit einem Geheimnis reist, das ihn in große Schwierigkeiten bringen könnte. Während der Reise trifft er auf andere Passagiere, die ebenfalls mit ihren eigenen Herausforderungen und Entscheidungen zu kämpfen haben. Das Stück erforscht die inneren Gedanken und Fantasien der Charaktere und zeigt, wie sie versuchen, in einer unvorhersehbaren Welt ihren Weg zu finden. Gegen zehn Uhr kommen wir wieder nach Hause und lassen den Tag noch gemütlich ausklingen.

  

 

Kommentare

Beliebte Posts